Der synodale Weg
Bürgerbeteiligung ist ein großes Stichwort im öffentlichen Leben der letzten Zeit geworden. Prozesse werden eingeleitet, bei denen Experten mit Bürgern und Adminstration ins Gespräch kommen. Der Vorteil: Der Gesetzgeber erfährt früher, wie seine Ideen ankommen oder was umgekehrt auf Ablehnung stößt. Bürgerinnen und Bürger werden gehört und hören wiederum von Möglichkeiten und Sachzwängen und wirken im besten Fall als Multiplikatoren einer guten Idee. Am Ende aber kann nur ein durch Wahl legitimiertes Gremium Entscheidungen treffen. So funktioniert Demokratie. Immerhin ist es zu begrüßen, dass die Entscheider auch zwischen den Wahlen ausdrücklich auf das Volk hören wollen.
Zugleich hat die katholische Kirche sich auf einen schweren Weg gemacht. Eigentlich ist der im nächsten Jahr beginnende Gesprächsprozess etwas Gutes, doch er findet vor einem schwierigen Hintergrund statt. Der Jesuitenpater Peter Mertens hat aus seinem Gewissen heraus ein Tabu gebrochen. Er wollte nicht in die dunkle Wolke der Ungewissheit eintreten, sondern Aufklärung über Vorkommnisse in dem von ihm geleiteten Canisiuskolleg. Damals war sexueller Mißbrauch noch nicht wirklich Thema in der Kirche in Deutschland. Die Welle, die er damit lostrat, war beispiellos. Viele Betroffene meldeten sich. Viele Menschen traten aus Empörung aus der Kirche aus. Die Bischofskonferenz entschloss sich daraufhin eine großangelegte Untersuchung in Auftrag zu geben. Tausende von Personalakten wurden ausgewertet. Die Arbeit zog sich hin. Am Ende wurde aus Gerüchten Gewissheit. In der deutschen Kirche kam es über siebzig Jahre hinweg zu tausendfachem sexuellem Missbrauch durch Geistliche. Die Veröffentlichung der genauen Zahlen löste einen neuen Proteststurm aus und eine neue Welle der Austritte. Die Kirche hat massiv an Vertrauen verloren. Sie wird gerade in einer Zeit der Orientierungslosigkeit und massiver Veränderung der Normen kaum mehr als Stimme wahrgenommen. Die Bischöfe entschlossen sich als Antwort auf diese Vertrauenskrise den sogenannten „synodalen Weg“ zu gehen. Dazu muss man wissen, dass es dafür kein Handbuch gibt. Es gibt Synoden auf dem Gebiet eines Landes oder einer Diözese. Die Würzburger Synode unmittelbar nach dem letzten Konzil trug die Gedanken des „Vaticanums“ in die deutsche Kirchenwelt hinein. Viele Ideen und Neuordnungen des Konzils wurden in den deutschen Sprachraum hinein „übersetzt“. Die Diözese Rottenburg-Stuttgart war eine der ersten Diözesen, die dann diese Ergebnisse noch einmal auf unseren Raum übertragen hat. Große Aufbrüche wurden unternommen. Die eingeschlagene Richtung stimmt bis heute. Der kommenden Generation einen frischen Glauben weiterzugeben und das Evangelium Jesu Christi auf neue Weise in die Welt hineinzutragen, waren die großen Linien dieser Synoden. Dann kam die gewollte Konsolidierung der Ergebnisse und mit ihr auch eine gewisse Erstarrung. Ein Kirchengeschichtler hat einmal seine Erfahrungen in einer Art Formel niedergeschrieben. Sie besagt: Auf jedes Konzil folgen fünzig winterliche Jahre. Mit Papst Franziskus hat eine deutliche Priorisierung der Pastoral weltweit Einzug gehalten. Er will nicht an Glaubenssätzen rütteln, aber folgt dem Auftrag Jesu sich den Ärmsten zu zuwenden und damit auch den Kirchenfernen oder Kirchenfremden. Die Kirche tut sich schwer mit diesem Kurswechsel, auch wenn viele auf dieseveränderte Wahrnehmung sehr positiv reagieren. Zuletzt hat sich der Papst vor dem für Deutschland bald beginnenden synodalen Weg zu Wort gemeldet. Man kann vermuten, dass ihm der Aufbrauch ingesamt gefällt. Eine echte Synode braucht Jahre der Vorbereitung und folgt bestimmten Regeln. Kardinal Marx und die Deutsche Bischofkonferenz wollten aber so schnell wie möglich auf die Vertrauenskrise reagieren und wählten ein neues unerprobtes Format: Den synodalen Weg. Dabei werden die Bischöfe relevante Themenfelder in mehreren Gesprächsphasen zusammen mit Katholiken und Katholikinnen aus den Verbänden und Gruppierungen besprechen. Das Ergebnis der Untergruppen wird noch einmal auf einander abgestimmt werden. Diesem Ergebnis werden sich die Bischöfe dann allein stellen. Sie sind in der Kirche der legitime Gesetzgeber. Sie bleiben aber dem Lehramt der universalen Kirche – vergleichbar einem Verfassungsgericht auf staatlicher Ebene – verpflichtet. Auf dieser Ebene können Änderungen nur durch ein global organisiertes Konzil vorgenommen werden. Der Papst hat in einem Brief vor Kurzem noch einmal daran erinnert um Frustrationen vorzubeugen, wenn am Ende nicht den Maximalforderungen nachgegeben wird. Zugleich wollte er die Verkündigung der Botschaft noch einmal in das Zentrum der Bemühungen rücken. Das Problem ist nämlich, dass nicht wenige sagen: Erst wenn die Kirche die „heißen Eisen“ wie das Zölibat für Priester oder die Weihe von Frauen abgeräumt hat, wird die Botschaft Jesu wieder Gehör finden. Auf der anderen Seite ist die Kirche keine Partei, wo mit politischem Druck gearbeitet werden kann. Deutlichkeit in den Positionen schadet nicht, aber der Wille dem Heiligen Geist folgen zu wollen, ohne zu wissen, dass man selbst schon Recht hat, ist immer der Weg der Kirche. Es wird viel Offenheit brauchen, viel Wille zur Zukunft, viel Demut bei den Amtsträgern, aber auch Vetrauen ins Amt bei den Christgläubigen. Was kann man bereits heute sagen: Die Fixierung auf das geweihte Amt muss fünzig Jahre nach dem Konzil ein Ende haben. Zugleich braucht die Kirche gute und sehr gute Bischöfe, Priester und Diakone. Diakoninnen wären wünschenswert, aber auch dass Gemeinden zu wirklich sorgenden Agenten werden und nicht nur versorgt werden. Das setzt echte Mitbestimmung voraus und Interesse am gemeinsamen Glauben. Der Mißbrauchsskandal muss abschließend aufgearbeitet werden.Konkrete Schritte auf die die deutsche Kirche im Ganzen noch wartet, sind in unserer Diözese bereits Stand der Dinge: Auch studierte Frauen und Männer im Dienst der Kirche predigen im Gottesdienst, die Kirchengemeinderäte inklusive den Pfarrern haben auf ihrer Ebene volle Entscheidungsgewalt, der Diözesanrat hat die Hohheit über die Finanzen, Frauen sind gleichberechtigt in der Leitungsebene beim Bischof präsent, präventive Maßnahmen zum Kindesschutz greifen. Mit etwas Ernüchterung möchte ich zum Schluss zum Nachdenken anregen: Hier in FN gibt es ein Wahnsinnsengagment der Ehrenamtlichen in den christlichen Gemeinden, in den Kirchengmeinderäten sind Männer und Frauen zu gleichen Teilen vertreten, wir sind materiell gut aufgestellt und haben mehr als ausreichend Gottedienste bei oft halbvollen Kirchen. Kirchenmusik wird groß geschrieben, ebenso die Themen Kindergarten und Armenfürsorge. Man darf fragen: Was würde sich ändern, wenn von fünf Häfler Pfarrern zwei verheiratet und zwei Pfarrerinnen wären? Der Glaube sicher nicht, der Zeitgeist wohl ebenfalls nicht, Ablehnung und Zuspruch der Kirche vielleicht ein wenig in beide Richtungen. Unsere Baustelle ist also nicht das Vordergründige, sondern das Wesentliche. Aber wir haben echtes Glück: Wir haben Gott!!
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