28. September 2018 um 18:29

Missbrauch in der Kirche: Reue sei Tat!

Zum Ende der Vollversammlung der Deutschen Bischöfe in Fulda hat Kardinal Reinhard Marx erste Konsequenzen aus der Studie zum Missbrauch in der katholischen Kirche angekündigt. Diese stellte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz am Donnerstag in Fulda vor.Die Bischöfe wollen externe, unabhängige Anlaufstellen für Betroffene sexuellen Missbrauchs schaffen, die zusätzlich zu den diözesanen Ansprechpartnern arbeiten. Sie wollen die Personalakten ihrer Kleriker künftig nach einem standardisierten System führen. Außerdem wollen sie bei der künftigen Aufarbeitung die Betroffenen und externe Fachleute einbinden. Es soll ein überdiözesanes Monitoring für Intervention und Prävention eingerichtet werden und das Verfahren für Entschädigungszahlungen „fortentwickelt“ werden. Außerdem will die Bischofskonferenz einen Gesprächsprozess eröffnen über den Zölibat und „verschiedene Aspekte der katholischen Sexualmoral“. Schließlich soll auch geklärt werden, wer über die Täter hinaus institutionell Verantwortung am Missbrauch getragen habe. Damit setzen die Bischöfe einige der Empfehlungen um, die die Forscher der MHG-Studie ihnen mit auf den Weg gegeben haben. Alle „Selbstherrlichkeit von Amtsträgern der Kirche“ müsse überwunden werden, heißt es in der Erklärung. Kardinal Marx ergänzte, dass es in der weiteren Diskussion der Studie unter den Bischöfen „kein Tabu“ geben werde. Sie wollten über alle Empfehlungen der Wissenschaftler sprechen und die Opfer in den Mittelpunkt stellen. Macht in der Kirche müsse kontrolliert und geteilt werden. „Das ist ein längerfristiger Weg, aber wir wollen ihn gehen“, so Marx. Stephan Ackermann, der Missbrauchsbeauftragte der deutschen Bischöfe sagte, es müsse zwischen den Ergebnissen der Studie und der nun beginnenden Aufarbeitung unterschieden werden. „Das ist eine neue Etappe, in die wir nun hineinkommen“. Ackermann sagte, er fasse die Studie auch als Ermutigung auf. In der Zukunft wollten sich die Bischöfe auch mit weiteren Empfehlungen der Forscher beschäftigen, die weniger schnell umzusetzen seien. Zu den Empfehlungen gehören unter anderem eine Beschäftigung mit der Aus- und Weiterbildung der Priester, mit der katholischen Sexualmoral und dem Beichtgeheimnis. Weiter sagte der Missbrauchsbeauftragte, das angedachte Monitoring zur Präventionsarbeit könne auch als eine Art „Ranking“ der Bemühungen der Bistümer zu diesem Thema verstanden werden. „Das war in der Vergangenheit zwar nicht so gewünscht. Aber diese Zeit ist vorbei.“ In der Presseerklärung zum Abschluss der Vollversammlung heißt es, die veröffentlichte Erklärung solle die „Verantwortung der Bischöfe für die Betroffenen“ ebenso zeigen „wie die nächsten Handlungsschritte, die als erste Konsequenzen aus der Studie anstehen“. Die Studie habe offenbart, dass es sich beim Missbrauch nicht nur um das Fehlverhalten einzelner handele, sondern systemische Aspekte das Risiko sexuellen Missbrauchs in der Kirche verstärkten und noch weiter verstärken. Die Kirche müsse die Hinwendung zu den Opfern noch klarer praktizieren. Bei der Zusammenarbeit mit externen Fachleuten, die künftig in die Aufarbeitung einbezogen werden sollen, könne es sich auch um eine Zusammenarbeit mit dem Staat handeln. Die Vollversammlung der deutschen Bischöfe tagte seit Montag in Fulda. Im Zentrum stand die Vorstellung der von ihnen in Auftrag gegebenen Missbrauchsstudie der sogenannten MHG-Studie (Mannheim, Heidelberg, Gießen). Nach den ausgewerteten gut 38.000 Akten gab es in den deutschen Diözesen im Zeitraum von 1946 bis 2014 mindestens 3.677 Betroffene von sexuellen Übergriffen, davon 16% Fälle schweren Missbrauchs. Erstellt wurde die Studie von einem Forschungskonsortium unter Leitung des Mannheimer Psychiaters Harald Dreßing. Außerdem sind das Kriminologische Institut der Universität Heidelberg, das dortige Institut für Gerontologie sowie der Lehrstuhl für Kriminologie der Universität Gießen beteiligt.
Bilanz der Missbrauchsfälle in der Diözese Rottenburg-StuttgartGrundlage ist die Arbeit der Kommission sexueller Missbrauch in der Diözese, die fast 2000 Personalakten durchgesehen hat und dabei 146 Vorwürfe prüfte. „Seit einigen Wochen verfolge ich mit Erschütterung die Verbrechen, die in Irland und Pennsylvania durch Kleriker an Minderjährigen verübt worden sind“, sagte Bischof Dr. Fürst. Mit noch „größerer Betroffenheit“ habe er die Berichte über die deutsche Missbrauchsstudie gelesen.

„Noch immer bin ich bestürzt über die große Anzahl der Taten und der Täter, aber auch über die Last der Schuld in unserer Kirche.“ Schon 2010, als viele Missbrauchsfälle in kirchlichen Einrichtungen ans Licht kamen, hatte Fürst die Opfer um Verzeihung gebeten. Er wiederholte dies: Er wisse, dass er das geschehene Leid nicht wieder gut machen könne, aber „ich möchte mich an dieser Stelle mit Scham bei den Opfern für das Leid entschuldigen, das ihnen durch unsere Kirche angetan worden ist“.

Im Untersuchungszeitraum von 1946 bis 2014 sind 72 der Diözese Rottenburg-Stuttgart zugeordnete Kleriker bekannt, die des Missbrauchs an Minderjährigen beschuldigt werden. Von diesen 72 sind 45 bereits verstorben. Da vier Vorfälle als nicht glaubwürdig eingestuft worden sind, bleiben 23 Fälle im harten Kern. In elf Fällen waren die Vorwürfe laut Untersuchungsergebnis so schwerwiegend, dass sie an die Kongregation für Glaubenslehre in Rom gemeldet worden sind, wie es seit 2001 Pflicht ist. In sieben Fällen war die Staatsanwaltschaft involviert, in zwei Fällen sind die Kleriker ihres Amtes enthoben worden, das heißt, mit einem weltweiten Berufsverbot belegt worden. Fürst ließ durchblicken, dass es sich hierbei um Vorkommnisse in den 60er Jahren und 70er Jahren in Kinderheimen gehandelt habe, bei denen es auch mehr als fünf Opfer gegeben habe. Schweren sexuellen Missbrauch im Sinne von Vergewaltigung habe es in der Diözese nicht gegeben, hieß es. „In neun Fällen habe ich Verweise ausgesprochen, die zum Teil mit einem deutlichen Gehaltsabzug für bis zu fünf Jahren verbunden waren und sind“, sagte Fürst. Für alle Täter oder Beschuldigte seien psychiatrische Gutachten angefordert worden, die Stellung nehmen zu Therapiemöglichkeiten und der Frage der Weiterbeschäftigung, die allerdings nur in Frage käme, wenn es sich um die „untere Kategorie“ des Missbrauchs, die sogenannte sexuelle Übergriffigkeit gehandelt habe. Sabine Hesse, die Leiterin der Stabsstelle Prävention in der Diözese, erläuterte was damit gemeint sei: Übergriffigkeit könne beispielsweise sein, wenn eine Jugendgruppe zum Duschen gehe „und die Begleitperson geht rein und guckt sich die an“. Oder ein Täter lade Jugendliche zu sich zum Feiern, und dabei komme es zu Berührungen im Schambereich oder an der Brust. Dies seien oft sexuelle Handlungen unter der Schwelle der Strafbarkeit – für kirchliche Mitarbeiter aber intolerabel und geahndet mit Verwarnung oder Verweisen sowie der Möglichkeit des Verbots des Umgangs mit Kindern und Jugendlichen.

Wenn ein Beschuldigter oder Täter versetzt worden sei, dann sei dies nur in Fällen der „unteren Kategorien“ möglich, so Fürst in keinem Fall bei schwerem sexuellen Missbrauch. Der Bischof wies darauf hin, dass seine Diözese bereits 2002 als erste in Deutschland Regularien sowie eine Kommission gegen den sexuellen Missbrauch in Kraft gesetzt habe. Dieser Weg sei richtig gewesen, und man wolle ihn weitergehen. So soll eine Fortbildung zur Prävention von sexuellem Missbrauch für die 15 000 Diözesan-Beschäftigten sowie Tausende von Ehrenamtliche eingeführt werden. Das gesamte Programm wird bis 2023 laufen und rund 1,2 Millionen Euro kosten.

 

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